54% der Kinder von Alleinerzieher*innen leben nach offiziellen Zahlen in Armut oder Ausgrenzung – tatsächlich sind es wahrscheinlich noch viele mehr. Der Anteil der armuts- oder ausgrenzungsbetroffenen Kinder von Alleinerzieher*innen steigt seit Jahren. Auch die Gründe für ihre Armut kennt man seit Jahren: Es ist der fehlende oder zu geringe Unterhalt und die mangelnden Ersatzleistungen, denn nur eines von fünf Kindern, das keinen Unterhalt oder Halbwaisenpension bekommt, bezieht Unterhaltsvorschuss. Die Gründe dafür sind restriktive Voraussetzungen für den Bezug. Ein zweiter Grund für die Armut und Ausgrenzung von Alleinerzieher*innen sind die hohen Kinderkosten, die fast doppelt so hoch wie in Paarfamilien sind. Dies ist seit Jahren bekannt, trotzdem finden diese Umstände bei Förderungen und finanziellen Beihilfen keine Berücksichtigung. Wir denken: Alle Daten liegen bereits auf dem Tisch, jetzt muss endlich gehandelt werden, die Unterhaltsgarantie muss sofort umgesetzt werden!

Doch warum geschieht nichts, obwohl 2017 die Unterhaltsgarantie von allen Parteien versprochen wurde? Bundesministerin Alma Zadić (Die Grünen), die die Unterhaltsgarantie nun vom Regierungspartner ÖVP fordert, schätzt die Kosten für die Maßnahme auf jährlich 120 Millionen Euro. Peanuts im Vergleich zu den COVID Hilfen, die während der Pandemie an Firmen ausbezahlt wurden und von einem Großteil gar nicht benötigt wurde. Warum also dieser Widerstand, Alleinerzieher*innen und ihre Kinder aus der Armut zu holen?

Die Praxis sieht so aus: Alleinerzieher*innen müssten de facto mit höheren Beträgen gefördert werden, bei Förderungen müssten für sie höheren Einkommensgrenzen als bei Paarfamilien gelten. Das ist vielen konservativen Kreisen nicht recht. Sie sehen die „Kernfamilie“, die sie als Vater, Mutter und Kind(er) definieren, in Gefahr, wenn Alleinerzieher*innen geholfen wird. Aus ihrer Sicht sollen Frauen, die nicht mit dem Vater ihrer Kinder zusammenleben, nicht gefördert werden. Denn würden Alleinerzieher*innen die Kinderkosten durch den Unterhalt oder Ersatzleistungen decken können, so die Befürchtung, dann würden sich mehr Frauen von ihren Partnern trennen. In dieser konservativen Denkweise ist die Frau grundsätzlich schuld an der Trennung, sei es, weil sie den Mann „nicht halten konnte“, sei es durch böswilliges Verlassen. Sie muss also durch finanzielle Gewalt dazu gezwungen werden, beim Vater der Kinder zu bleiben. Die Realität, dass viele Männer die Familie verlassen, oder sich Paare schlichtweg auseinanderleben kommt in dieser Denkweise nicht vor. Alleinerzieher*innen (früher „ledige Mütter“ oder „Geschiedene“) galten fast immer als asozial und waren geächtet. Die einzig akzeptierte Form des Alleinerziehens war und sind die Witwen, wobei auch hier nur Kinder von Verstorbenen mit Halbwaisenpension unterstützt werden, die zu Lebzeiten genügend Versicherungsjahre sammeln konnten. Ausländische Verstorbene konnten das oft nicht, sind sie ja oft erst aufgrund der Kinder nach Österreich gekommen.

Doch wer sitzt an den Hebeln der Macht? Das Familienministerium wurde in der 2. Republik fast immer von der ÖVP besetzt, seit 2009 durchgehend, mit Ausnahme von Sophie Karmasin, die zwar parteilos war, aber wie wir im Nachhinein erfahren haben, doch nicht so unabhängig war. Unterbrochen wurde die Reihe auch noch durch die Zeit der Beamtenregierung. Dass die ÖVP Alleinerzieher*innen nicht unterstützen möchte, hat Familienministerin Raab erst im Dezember 2022 wieder klargemacht: Auf die Frage, wie sie Alleinerzieher*innen unterstützen will, meinte sie, der Unterhaltsvorschuss sei ein bewährtes Instrument, obwohl seit langem bekannt ist, dass 78% der Kinder, die keinen Unterhalt und keine Halbwaisenpension beziehen, leer ausgehen. Auch Dr. Christian Stocker meinte erst kürzlich in einer Fernsehdiskussion auf PULS 4 zum Thema, Alleinerzieher*innen würden ohnehin genug gefördert, es gäbe ja den Familienbonus. Dieser kommt jedoch bekanntlich Vätern zugute (78% landen laut AK bei den Vätern). Immer noch behauptet er, in Österreich würden keine Kinder hungern, obwohl alle Zahlen am Tisch liegen, und die Hilfsorganisationen Alarm schlagen! Die Idee der ÖVP: Supermärkte sollten abgelaufene Lebensmittel spenden. Doch unsere Kinder brauchen Vitamine!

Wir sagen: Es braucht JETZT eine Unterhaltsgarantie für Kinder von Alleinerzieher*innen, und zwar in Höhe der Kinderkosten, gestaffelt nach Alter, und ggf. aufgestockt für Kinder, die nur geringen Unterhalt oder Ersatzleistungen beziehen. Auch wir sind Kernfamilie, auch wir verdienen ein Leben in Würde!